Handwerk

Schreiben? Ja. Aber wie?
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AnneW
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Re: Handwerk

Beitrag von AnneW »

Das hat schon etwas für sich. Egoistisches Schreiben. Ein guter Ausdruck, Hanna. Und sicher sehr bezeichnend für unsere heutige Welt. Andererseits muss man sagen, dass die meisten Schriftsteller schon immer ziemlich egoistisch waren. Nur aus ihrer eigenen Perspektive geschrieben haben. Sie haben die Welt immer nur aus einem einzigen Blickwinkel betrachtet, ihrem eigenen. Vielleicht sind wir alle so. Demgemäß hat sich vielleicht gar nicht so viel verändert.

Ich persönlich würde allerdings gern auch die Perspektive anderer einbeziehen. Auch in meinen Büchern. Und manchmal ist das tatsächlich gar nicht so einfach. Ich versuche, mit Show don’t tell gewisse Dinge darzustellen, aber ich merke, es gelingt mir nicht immer. Es ist wirklich sehr schwer. Insbesondere bei meinem LLP-Roman habe ich das gemerkt. Deshalb war ich ja auch so unzufrieden. Und bin es immer noch. Da steht eine große Überarbeitung an.
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Angela
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Re: Handwerk

Beitrag von Angela »

Ich merke gerade, dass das vielleicht auch bei mir das Problem ist. Nathalie hat eine sehr egoistische Perspektive. Sie hatte es sicherlich nicht leicht, aber sie sieht eigentlich nur sich selbst und ihre Probleme. Die Probleme anderer sieht sie nicht. Vor allem auch die Probleme von Kim. Die sich sehr viel mehr in Nathalie hineinzuversetzen versucht als Nathalie in Kim. Das war auch der Grund für ihre Trennung. Nathalie wollte einfach nicht verstehen, was Kim tun musste. Was für sie wichtig war. Und noch immer ist.

Und genauso wie bei Dir, Anne, steht bei mir eine große Überarbeitung an deshalb. :?

Hanna hat geschrieben: Dienstag 16. November 2021, 16:20Ich glaube, bei Deinem Buch könnte das ganz spannend werden, wenn Du Kim am Anfang auch als eigenständige Person auftreten lässt, dabei aber ein Geheimnis um sie webst. Kim ist eine für mich sehr interessante Figur, fast interessanter als Natalie. Wenn Du erlaubst, dass ich das sage. :) Ist nicht böse gemeint. Damit will ich nicht sagen, dass Du Kim als H1 einführen solltest, wie das bei Gwen Hayes heißt, aber ihr eine separate Einführung schenken solltest, die sie als Figur greifbarer macht.
Natürlich erlaube ich das. :D Danke für Deine hilfreichen Hinweise. Du hast recht. Zum Schluss ist Kim tatsächlich interessanter als Nathalie. Weil sie auch einen sehr viel aufregenderen Beruf hat als Steuerberaterin. 8-) Aber auch, weil sie nicht so verkrampft ist wie Nathalie. Weil sie keine so schreckliche Kindheit mit einer schrecklichen Mutter und schrecklichen Geschwistern hatte. Und diese Familie immer noch wie einen Mühlstein am Hals hängen hat. Deshalb ist sie einfach lockerer. Was Nathalie nicht so richtig versteht. Denn sie kann eigentlich gar nicht locker sein.
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Steffi
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Re: Handwerk

Beitrag von Steffi »

Anja hat geschrieben: Dienstag 16. November 2021, 17:12Ich habe meinen letzten Roman auch mit der Hilfe von Gwen Hayes Vorlage erstellt und ich schreibe auch meinen aktuellen Roman wieder mit dieser Vorlage.
Ich finde, das ist eine gute Idee, Anja. :) Und ich würde sagen, das merkt man Deinem letzten Roman auch an. Ich werde mich auch noch einmal daran versuchen. Auch wenn ich das erste Mal daran gescheitert bin. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu widerspenstig, mich vorgegebenen Regeln zu fügen. ;) Dennoch finde ich die Vorlage von Gwen Hayes wirklich sehr gut. Wie Ruth damals schon im Forum sagte, gibt es nichts Vergleichbares auf dem Markt. Es ist eine Anleitung, die einen roten Faden für das liefert, was wir schreiben. Warum sollte man das also nicht nutzen?
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Anja
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Re: Handwerk

Beitrag von Anja »

@Ruth
Mag wohl daran liegen, dass ich immer noch "meinen" Weg und "meinen" Stil einen Roman zu schreiben suche.
Das kann ich nicht beurteilen mit den "lesbischen Männern". ;) Ich habe nur schon festgestellt, dass es auch Männer gibt, die bei lesbischen Romanen eine Bewertung hinterlassen. Wäre ja zumindest möglich, dass es auch schwule Männer oder Transmänner/Frauen gibt, die gerne lesbische Romane lesen. Aber gut, ich lass es. ;)

@Steffi
Danke. Du musst Dich ja auch nicht pingelig genau daran halten. ;) Aber wenn es Dir/mir hilft, dann ist es zumindest einen Versuch wert. 8-)
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Steffi
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Re: Handwerk

Beitrag von Steffi »

Das mit dem pingelig daran Halten ist genau mein Problem. Vielleicht bin ich da auch zu pingelig. Wie machst Du es denn? Hältst Du Dich genau an die Vorlage? Oder weichst Du auch mal davon ab?
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Anja
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Re: Handwerk

Beitrag von Anja »

Im grossen und ganzen halte ich mich daran. Bei meinem letzten Roman habe ich es zwar nicht bis zum Schluss durchgezogen. Aber eben, so als roter Faden oder als geschmeidige Leitplanken finde ich die Vorlage wirklich gut.
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Ruth
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Re: Handwerk

Beitrag von Ruth »

Das haben wir beim Lektorat dann gemerkt, dass Du das nicht bis zum Schluss durchgezogen hast. :) Am Ende war viel mehr zu lektorieren als bis da hin. Daran sieht man, dass diese Vorlage wirklich nützlich ist. Wenn es möglich ist, würde ich Dir empfehlen, Dich diesmal auch am Ende daran zu halten. Vielleicht geht das. Ich glaube, das hätte einen großen Wert.
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Anja
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Re: Handwerk

Beitrag von Anja »

:( klare Worte.
Ich werde es versuchen.
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Heike
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Re: Handwerk

Beitrag von Heike »

Sorry, wenn ich jetzt doch mal dumm nachfrage, aber wo kann ich die Vorlage von Gwen Hayes finden? :?
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Ruth
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Re: Handwerk

Beitrag von Ruth »

Die war im alten Forum. Du kannst aber auch hier das Ebook kaufen: https://www.amazon.de/Romancing-Beat-St ... B01DSJSURY
Da ist sie auch drin. Gibt es leider nur auf Englisch.

Im alten Forum hatte ich das alles auf Deutsch übersetzt, und wir haben damit gearbeitet. Aber das kann ich hier nicht machen, weil das hier ein öffentliches Forum ist. Das ging nur im alten Forum, weil das ein geschlossenes Forum war.
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Heike
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Re: Handwerk

Beitrag von Heike »

Oh, schade. Da kann man nichts machen. :| Aber trotzdem danke.
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Sina
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Re: Handwerk

Beitrag von Sina »

Ich habe mir das Ebook dann auch gekauft, weil da doch noch einiges mehr an Erklärungen drin ist, wie die Vorlage anzuwenden ist. Da habe ich noch einiges an Zusätzlichem herausgezogen, was so nicht im Schreibforum war. Ein sehr nützliches kleines Büchelchen. Ich finde, die paar Euro sind gut angelegt. :)
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Ruth
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Re: Handwerk

Beitrag von Ruth »

Ich habe übrigens Die Schöne und das Biest dann zum Test mit der Vorlage geschrieben. :) Da habe ich das zum ersten Mal ausprobiert und gesehen, wie hilfreich das ist.

Hier unter Technische Fragen hat Steffi zumindest den allerersten Teil, den ich übersetzt hatte, eingestellt; Gwen Hayes - Phase 1 - Set-up - Einführung H1
Mach Deine Protagonistin unwiderstehlich. 8-) Das ist nie ein Fehler.

Danach als nächster Schritt folgt dann dasselbe für H2, die zweite „Heldin“ des Buches. Das ist völlig identisch. Daraus ergibt sich dann schon, dass man zwei Perspektiven hat. Ein Kapitel wird immer aus der Perspektive von H1 erzählt, das nächste dann aus der Perspektive von H2.

Nachdem Du im ersten Kapitel die erste Heldin eingeführt hast und im zweiten Kapitel die zweite Heldin (jeweils aus deren Perspektive), folgt im dritten Kapitel das sogenannte Meet Cute, also die erste Begegnung von H1 und H2. Danach kommt das No Way 1, wo beide sich (getrennt) überlegen, dass sie auf keinen Fall mit der anderen Person zusammensein können. Sie legen sich selbst (und der Leserin) ihre Gründe dar, aber nicht der anderen Frau. Danach folgt dann aber die Adhäsion, das „Zusammenkleben“, wo sie einander nicht mehr ausweichen können. Dafür muss es einen guten Grund geben. Und dadurch kommen sich sich dann näher.

Das ist das Ende von Phase 1. Insgesamt gibt es 4 Phasen, in denen die Geschichte sich dann bis zum Happy End entwickelt.

Wie Du schon an diesem Anfang siehst, ist das ein richtiger roter Faden, wo für jeden Schritt etwas vorgegeben wird. Man muss das dann nur noch mit seiner eigenen Geschichte füllen. Es ist speziell auf Liebesromane abgestimmt, was es sonst so nirgendwo gibt. Wenn man sonst Schreibratgeber kauft, geht es dort meistens um wesentlich mehr Dynamik und Spannung, hier geht es tatsächlich nur um die Liebesgeschichte, die in anderen Ratgebern oft nur so nebenher erwähnt und auf die gar nicht näher eingegangen wird.
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Steffi
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Re: Handwerk

Beitrag von Steffi »

Und die Adhäsion war mein Untergang. ;) Klassisch ist da ja so etwas angesagt wie dass sie beide in einer Hütte auf einem Berg eingeschneit werden oder so etwas – das hast Du ja auch in Deinem Die Schöne und das Biest so gemacht –, aber so etwas wollte ich nicht machen. Ich wollte mir etwas Originelles einfallen lassen, und daran bin ich gescheitert. :(
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Ruth
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Re: Handwerk

Beitrag von Ruth »

Originalität ist eine Illusion, Steffi. 8-) Das habe ich ja schon öfter gesagt. Wir bilden uns immer alle ein, so furchtbar originell zu sein, aber das sind wir nicht. Im Grunde genommen sind alle Geschichten schon einmal geschrieben worden, alle Ideen schon einmal irgendwo aufgekommen und verwendet worden. Deshalb ist es gar nicht schlimm, etwas zu verwenden, das es schon gab. Gerade deshalb habe ich auch den Schnee genommen. Sehr üblich, aber trotzdem auch sehr wirkungsvoll. :D Außerdem zu Weihnachten passend.

Wir machen uns wirklich zu viele Gedanken. Schau Dir doch mal viele von den Selfpublishern oder auch viele von den erfolgreichen Büchern an, die von Verlagen veröffentlicht werden. Die Leute berichten oft einfach nur aus ihrem Leben, schreiben praktisch Tagebuch. Nehmen ihr eigenes Leben als Vorbild, ihre Familie, ihren Freundeskreis. Das, was sie tatsächlich erlebt haben oder jeden Tag erleben. So langweilig wie nur irgendetwas, sollte man meinen. Und trotzdem werden von solchen Büchern, bei denen sich die Autoren nicht viele Gedanken gemacht haben, oft mehr verkauft als von Büchern, über denen die Autoren Jahre gebrütet haben.

Was ergibt sich also daraus? Das nehmen, was man selbst kennt und was auch die Leserinnen kennen. Nicht unbedingt etwas Neues erfinden. Damit fährt man am besten. Weil die Leserin sich sozusagen in der Geschichte „zu Hause“ fühlt. Weil sie sich mit den sehr normalen und alltäglichen Figuren zu Hause fühlt. Mit einer Personenschützerin, die verglichen mit der Normalfrau ein sehr außergewöhnliches Leben führt, fühlt sie sich wahrscheinlich nicht so sehr zu Hause.

Andererseits ist diese Sängerin, diese Promi-Frau, die Du da hast, für viele auch wieder interessant. Deshalb wird auch die Konstellation interessant. Aber direkt am Anfang darf Deine Cat nicht zu lange zu fremd sein. Sonst wenden sich die Leserinnen ab.
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Steffi
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Re: Handwerk

Beitrag von Steffi »

Ich fürchte, Du hast recht. Da habe ich einen Fehler gemacht. Vielleicht sollte ich tatsächlich nach Gwen Hayes vorgehen, im ersten Kapitel Cat vorstellen und dann im zweiten Alida. Dadurch würde das aufgelockert. Das werde ich mal versuchen.

AnneW hat geschrieben: Dienstag 16. November 2021, 16:46Wenn das Schreiben aus zwei Perspektiven einfacher ist, warum dann nicht machen? Deshalb habe ich das in Diamantenküste auch versucht. Es lief nicht immer so geschmeidig, wie ich mir das gewünscht hatte, aber es hatte auch Vorteile. Ich weiß nicht, ob jemand das Buch gelesen hat, aber ich fand nicht unbedingt, dass es zur Langeweile beiträgt.
Darauf wollte ich schon die ganze Zeit antworten, Anne. 🙂 Natürlich habe ich das gelesen! 😀 Und bestimmt auch viele andere. Ein tolles Buch! 👏 Vor allem Deine wunderbaren Formulierungen, Vergleiche und Bilder. Wie machst Du das? Ich glaube, dieses Buch ist eines der besten, das in den letzten Jahren erschienen ist. Ich würde mich am liebsten vor Dir verbeugen. 🙇 Du hast da etwas Großartiges geschaffen, finde ich. Und von Langeweile keine Spur. Da geht es ja Schlag auf Schlag. Und das auch noch in einem wunderbaren Setting und mit ganz außergewöhnlichen Herausforderungen.

»Willst du meine Klavierlehrerin sein?« statt Willst du meine Frau sein? als Heiratsantrag. Da standen mir wahr und wahrhaftig die Tränen in den Augen am Ende. Sooooo schön! 😊
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AnneW
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Re: Handwerk

Beitrag von AnneW »

Tut mir leid, dass ich jetzt erst antworte, Steffi, um mich für Dein nettes Kompliment zu bedanken. Ich war weg und habe gar nicht ins Internet geguckt. Ich muss ehrlich zugeben, als mir das mit "Willst du meine Klavierlehrerin sein?" eingefallen ist, hat es mir selbst sehr gefallen. Denn das Problem war nun einmal, dass im Jahre 1910 keine Frau eine andere fragen konnte, ob sie sie heiratet. Das ging einfach nicht. Das war damals noch nicht erlaubt. Und so etwas Popeliges wie "Willst du mit mir zusammensein?" wollte ich Ida auch nicht fragen lassen.

Allerdings muss ich auch sagen, dass es mir am Anfang schwergefallen ist, in die zweite Perspektive hineinzukommen. Da habe ich sehr lange allein aus Henrikes Perspektive berichtet, weil ich gar nicht wusste, wie ich Ida da hätte unterbringen sollen. Denn es war ja tatsächlich Henrike, die auf der Flucht war, und bei Ida passierte zu dem Zeitpunkt nicht viel. Es gab auch keine Möglichkeit für eine Begegnung.

Wenn ich allerdings nach Gwen Hayes vorgegangen wäre, hätte ich das trotzdem machen können. Das fällt mir aber jetzt erst auf. Ich bin mit der Methode von Gwen Hayes nicht wirklich vertraut, habe das auch erst durch Ruth damals im Schreib-Forum kennengelernt. Deshalb war mir das noch sehr fremd.

Die Idee ist ja aber, dass man beide Hauptfiguren am Anfang in ihrem eigenen Umfeld zeigt. Ohne Beziehung zu der anderen Person. Und das kann man ja immer machen. Da hätte ich auch Ida in ihrem Wirtshaus zeigen können, ohne Bezug zu Henrike. Mit der Idee werde ich mich noch einmal ausführlicher beschäftigen. Das klingt interessant und nützlich.
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Kay
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Re: Handwerk

Beitrag von Kay »

Ruth hat geschrieben: Mittwoch 17. November 2021, 15:43Die Leserinnen mögen es allerdings sehr. :D Denn Dein erstes Buch war ja ein großer Bestseller. Im lesbischen Bereich. Da muss man sich dann auch fragen, ob man so schreiben muss, um mehr Bücher zu verkaufen.
Das habe ich mich auch gefragt. Wenn Du diese erfolgreichen Autoren erwähnst, die unserer "handwerklichen" Meinung 8-) nach schlechte Autoren sind, schlecht schreiben, eigentlich gar keine Leser finden dürften, aber Millionen Leser finden, dann sieht man doch, dass da eine große Kluft zwischen dem, was wir wichtig finden, und dem, was die Leser und Leserinnen wichtig finden, klafft.

Wie ich sagte, liegt mir diese Art Schreiben nicht so sehr, wie ich damals dachte, als ich das ausprobiert habe. Sonst hätte ich das weitergemacht. Zumal es die Leserinnen so sehr zu mögen scheinen. Aber warum mögen es die Leserinnen? Was unterscheidet für sie das Lese-Erlebnis mit einem solchen Buch von dem Lese-Erlebnis, das ein handwerklich besser geschriebenes Buch ihnen vielleicht bietet? Leider äußern sich die Leserinnen ja nie oder nur sehr wenig dazu. Sie halten das sicher nicht für wichtig, weil sie nicht wissen, wie wir Autorinnen uns quälen, ihnen genau das zu liefern, was sie sich wünschen. :)
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Hanna
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Re: Handwerk

Beitrag von Hanna »

Das Thema „Schreiben wie für einen Film“ oder auch „Drehbuchschreiben“ hatten wir im alten Schreibforum ja schon. Davon hat Ruth oft gesprochen. Und es ist auch sehr nachvollziehbar, dass die Leserinnen so geprägt sind. Die Aufmerksamkeitsspanne der meisten, die lesen, wird durch die ständige Berieselung mit nicht sehr anspruchsvollen und sehr kurzen Texten immer geringer. Darüber klagen viele Lehrerinnen und Lehrer. Dass sie beispielsweise heute nicht mehr dieselben Bücher in der 8., 9. oder 10. Klasse lesen lassen und besprechen können wie vor 10 oder 15 Jahren. Die Kinder verstehen die Texte oft gar nicht mehr. Und es handelte sich dabei nicht um Goethe.

Aber wenn man sich ansonsten nur über SMS oder WhatsApp oder sonstige Kurztexte unterhält, und das auch noch mit Abkürzungen und Emojis, statt das Wort hinzuschreiben, woher soll die Lesekompetenz kommen? Das sind nicht die Kinder schuld, sondern das hängt mit der Entwicklung unserer Gesellschaft zusammen. Ich bin davon überzeugt, dass viele gar nicht lesen würden, wenn man man ihnen als Alternative einen Film, ein Video oder ein Hörbuch anbieten würde.
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Sina
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Re: Handwerk

Beitrag von Sina »

AnneW hat geschrieben: Sonntag 21. November 2021, 09:23Allerdings muss ich auch sagen, dass es mir am Anfang schwergefallen ist, in die zweite Perspektive hineinzukommen.
Das würde ich gern noch einmal aufnehmen. Mir ging/geht es genauso. Obwohl ich versucht habe, mit der Vorlage von Gwen Hayes zu arbeiten, wo das vorgegeben ist. Deshalb dachte ich, das kann doch nicht so schwer sein. War es aber. Vor allem, da ich das Geheimnis ein bisschen bestehen lassen wollte. Sonst wäre es einfach gewesen. Oder sagen wir: einfacher.
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AnneW
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Re: Handwerk

Beitrag von AnneW »

Ich habe es nicht nach der Vorlage gemacht, und ich frage mich, ob das einfacher gewesen wäre. Es kommt aber auch auf die Art der Geschichte an. Bei meinem Roman musste ich eine ganze Menge Hintergrundinformationen unterbringen, und ich weiß nicht, ob es überhaupt verständlich gewesen wäre, wenn ich da gleich mit beiden Figuren eingestiegen wäre. Andererseits fehlt dann auch wieder etwas, weil viele sich dann fragen: Wo bleibt denn der Love Interest? Wer ist überhaupt der Love Interest?
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Steffi
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Re: Handwerk

Beitrag von Steffi »

Das ist auch ein bisschen mein Problem bei meinem LLP-Roman, und es ist gut, dass wir das jetzt hier diskutieren. Dadurch wird mir die Sache viel klarer. Und die Vorlage von Gwen Hayes erscheint mir immer wertvoller. Auch wenn ich schon mal daran gescheitert bin.

Wenn man immer mit der separaten Vorstellung von H1 und H2 beginnt wie in einem Film, erfordert das eine ganz andere Sichtweise als die, die ich bisher hatte. Es bringt aber eventuell für das Schreiben und auch für die Leserin viel.
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Ruth
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Re: Handwerk

Beitrag von Ruth »

Das dachte ich auch, als ich diese Vorlage damals zum ersten Mal entdeckt habe. Die Idee kommt vom Drehbuchschreiben und dort von dem Konzept der „Beats“. Absolut üblich in Amerika. Aber nicht unbedingt für literarische Bücher, für Romane.

Die sich natürlich auch ein bisschen von Drehbüchern unterscheiden. Ein Drehbuch entspricht von der Länge der Geschichte her eher einer Kurzgeschichte als einem Roman. Weshalb es ja auch so schwer ist, Romane zu verfilmen. Vor allem, wenn man das in einem einzigen Film von 90 Minuten tun will. Eine Romanverfilmung wird dann oft zum Mehrteiler. Und dann ist immer noch nicht alles untergebracht.

„Beats“ lassen sich jedoch fast beliebig vermehren, je nach Länge der Geschichte. Und daher kommt auch der Name des Buches von Gwen Hayes. Dass die „Beats“ normalerweise nicht auf Liebesromane angewendet werden, das empfand sie als großen Nachteil (ebenso wie ich) und hat deshalb dieses kleine Schreibratgeber-Büchelchen für „Kissing Books“, wie sie das nennt, geschrieben.

Denn wenn man nach einem herkömmlichen Schreibratgeber vorgeht, ist die Liebesgeschichte immer nur ein Nebenstrang. Wenn überhaupt. Für uns als Liebesromanautorinnen ist sie aber die Hauptsache. Alles andere, was noch passiert, ist Nebensache. Und das ist ein großer Unterschied.
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Kay
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Re: Handwerk

Beitrag von Kay »

Das ist der Knackpunkt an der ganzen Geschichte, Ruth, das habe ich auch erst nach einer Weile gemerkt. Ich dachte, Schreibratgeber ist Schreibratgeber. Und mit der Zeit sammelt man ja auch seine eigenen Erfahrungen von einem Roman zum nächsten. Aber so wertvoll die sind, sie sind nicht so strukturiert, wie Gwen Hayes das da zusammengestellt hat. Da wird der Unterschied so richtig klar.
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Angela
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Re: Handwerk

Beitrag von Angela »

Ruth hat geschrieben: Montag 22. November 2021, 13:45„Beats“ lassen sich jedoch fast beliebig vermehren.
Da würde ich gern noch einmal einhaken. Ich habe mir das Ebook von Gwen Hayes gekauft, und dort gibt sie auch oft mehrere Beats für ein Stichwort an. Das entspricht dann meistens einem Szenenwechsel. Aber ist das wirklich beliebig? Sie spricht meistens von 2 bis 3 Beats zu einem bestimmten Stichwort. Gleich zu Anfang beim Set-up heißt es: Two beats one chapter. Daraus könnte ich also auch sagen wir mal 5 beats pro Kapitel machen?
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